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Digitaler versus persönlicher Kontakt

Von Ekkehart Padberg

Während des Corona-Lockdowns haben viele von uns im Home-Office von den digitalen Plattformen profitiert: Beim digitalen Meeting mit Geschäftspartnern und Kunden, bei der Steuerung von Projekten mit Kollegen, beim digitalen Feierabend-Bier oder einfach im Chat mit Familienangehörigen.

Das war zweifelsfrei während der Pandemie eine gute Lösung, um Arbeits- und Kundenbeziehungen aufrecht zu erhalten und das Business am Laufen zu halten. Doch in wieweit können digitale Kontakte den persönlichen Kontakt ersetzen? Wo sind die Grenzen? Wir schildern die Erfahrungen unseres Unternehmens aus der Corona-Zeit.

Juni 2020: Die ersten Live-Workshops der Padberg Beratung mit Führungskräften laufen wieder. Nahezu alle dieser Kunden standen während des Lockdowns über Monate nur von ihren Home-Offices aus in engem Austausch mit ihren Teams, die sie remote, also auf Abstand geführt haben. „Ich habe in Meetings selten eine so hohe Dynamik und Energie erlebt. Der Gesprächsbedarf war immens und es war schön, sich endlich wieder Face to Face in die Augen schauen und direkt miteinander kommunizieren zu können“, so Ekkehart Padberg, Geschäftsführer der Padberg-Beratung GmbH.

Die digitalen Möglichkeiten während des Lockdowns haben sich als großer Segen erwiesen, weil der Geschäftsbetrieb in vielen Branchen so größtenteils aufrechterhalten werden konnten, wenn auch mit ernüchternder finanzieller Bilanz: Allein der von der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg für Mai 2020 ermittelte Geschäfstklimaindex fiel im Mai um 30 Punkte auf 67 Punkte (2018: 139,3) und erreichte damit den niedrigsten Wert, der jemals gemessen wurde. 

Eine Abfrage unter Kunden und Kollegen bestätigt die Erfahrungen, die die Padberg-Beratung in den vergangenen Monaten gemacht hat: Digitale Meetings, Aus- und Fortbildungen sind möglich und können mit einem Personenkreis bis 10 Personen gut durchgeführt werden. Teilweise liefen die Abstimmungsprozesse in Teams wesentlich schneller, wenn es darum ging, rein operative Themen zu klären. 

Die Vorteile der digitalen Kommunikation sind unübersehbar

  • Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner können sich unabhängig von ihren Standorten für eine gemeinsame Konferenz oder Abstimmung online treffen.
  • Die Kommunikation ist auch außerhalb von Geschäftszeiten möglich.
  • Fahrt- und Hotelkosten werden gespart. 
  • Unnötige Reisezeit mit langen Wartezeiten z.B. an Flughäfen kann für die Arbeit gespart werden.
  • Home-Office-Lösungen schaffen gerade für junge Familien ideale Bedingungen für die Vereinbarung von Job und Familie.
  • Digitale Meetings entlasten den PkW- und Luftverkehr und die Umwelt.

Der mentale Energieaufwand ist höher in der digitalen Kommunikation

Auch die Padberg-Beratung hat zu Corona-Zeiten ihr erstes Online-Seminar im Rahmen einer Softwareschulung zur „Strategischen IT-Planung“ für ein Weiterbildungsinstitut gemacht. „Auch für mich war das Neuland. Wer digital lehrt, braucht ein ganz anderes pädagogisches Konzept, das allein von der Präsentation so interaktiv gestaltet sein muss, dass die Teilnehmer wach und aufmerksam bleiben“, so Padberg. Als Trainer sei er hier mit seinen Softskills und mentalen Kraft stärker gefordert als bei Live-Kursen, z.B. um Teilnehmer, die er den ganzen Tag nur hören konnte, immer wieder abzuholen und aktiv einzubeziehen. Die Feedbacks des Online-Seminar zeigten, dass das bestens gelungen ist. 

Die Erfahrungen der Padberg-Beratung aus den letzten Monaten zeigen auch, dass vieles bei Online-Abstimmungen unausgesprochen bleibt.

Ekkehart Padberg: „Strategische Entscheidungen, die eine hohe Verbindlichkeit brauchen, sind online nur schwer zu erreichen. Insbesondere kritische Themen, die normalerweise am Rande von Live-Meetings in den Pausen besprochen werden, sind liegengeblieben.“

„Dort, wo ich sonst einfach ins Nachbarbüro gehe und mich kurz mit drei Kollegen gleichzeitig abstimmen kann, mussten wir jedes Mal Zeitfenster für einen Videochat finden. Das war extrem zeitaufwändig und auch anstrengend, weil das den ganzen Tag so lief“, äußert sich ein Kunde aus der Softwarebranche. Ein Coach- und Trainerkollege und Berater aus Berlin zu seinen Erfahrungen: „Digitale Trainings kosten mich viel mehr mentale Kraft, wenn ich mit kurzen Pausen acht Stunden nur via Bildschirm lehre. Und mir fehlt ganz einfach der persönliche Austausch mit den TeilnehmerInnen sowie das emotionale Feedback, das ja gerade im persönlichen Coaching den Prozess trägt.“

Zwar erlauben jetzt auch die Lehrpläne großer Methodenverbände wie des DVNLP e.V. die Online-Abwicklung eines Teils des Lehrstoffes, doch für Ekkehart Padberg kann das nur eine „Notfall-Lösung“ sein. „Die reinen Online-Befürworter unterschätzen die Kraft der persönlichen Begegnung. Wir sind nun mal soziale Wesen, die geschäftlich und privat den emotionalen Austausch brauchen. Fehlt das, leidet auch der Kontakt“, betont er.

Unsere Kommunikation beruht nur zu einem geringen Teil auf reiner Sprache

Allein die Tatsache, dass der Anteil des gesprochenen Wortes nur drei bis fünf Prozent unserer Kommunikation ausmacht, verdeutlicht den hohen Wert, den persönlicher Kontakt darstellt. Der Großteil unserer Kommunikation läuft über unsere Körpersprache, Gestik, Mimik und Mikromimik ab. Hierzu zählen auch unsere neurobiologisch hoch aktiven Spiegelneuronen, die es uns ermöglichen, Stimmungen zu erfassen und uns in unser Gegenüber hineinzuversetzen. Keine Videoschalte oder Online-Konferenz kann das abbilden oder ersetzen, so gut die Technik auch ist. 

Während wir schon vor Beginn eines Live-Meetings in Bruchteilen von Sekunden mitbekommen, wie die Stimmung im Raum ist, fällt das bei Remote-Veranstaltungen völlig weg.

Ebenso entfällt der häufig gering geschätzte Smalltalk, der uns beim Plaudern über private Erlebnisse eine konkrete Vorstellung davon vermittelt, was für ein Mensch hier jenseits des Businesskontextes vor uns steht. Fehlanzeige auch, wenn es darum geht, schon vor dem Meeting mitzubekommen, wer mit wem in welchen Grüppchen zusammensteht, wer wen freudig oder weniger freudig begrüßt wird oder welchen Umgangston eine Führungskraft mit seinen Mitarbeitern pflegt. Ganz zu schweigen vom „Flurfunk“, bei dem wir bei zufälligen Begegnungen auf dem Flur oder in der Kantine in Windeseile Informationen auf dem „kleinen Dienstweg“ erhalten.

Kommunikation ist eben nur zu einem Teil der Austausch von Fakten. Wir hätten entwicklungsgeschichtlich als Menschheit nie so lange überlebt, wenn Kommunikation nicht vor allem der Austausch sozialer Informationen wäre. Denn diese spiegelt die in jeder Gruppe aktiven Hierarchie-, Freundschafts- oder Abhängigkeitsbeziehungen. Und all das fehlt zu einem großen Teil im digitalen Austausch.

Das sind keinesfalls K.O.-Argumente gegen die Errungenschaften unserer digitalen Welt und nur eine Minderheit möchte die Uhr hier zurückdrehen. Doch gilt es sehr wohl im Auge zu behalten, an welchen Stellen Online-Konferenzen oder Remote-Projekte Sinn machen und hier nicht auf eine reine Kosteneinsparung zu setzen. Oder sich der Illusion hinzugeben, MitarbeiterInnen so enger führen zu können.

Fazit

Die digitalen Vorteile rechnen sich unserer Auffassung nach nur zum Teil. Denn gerade globale Teams lassen sich bei allen digitalen Fortschritten auf Abstand nicht so eng führen wie in analogen Projekten. Sie brauchen einen agilen Führungsstil, der vor allem ein gemeinsames Verständnis davon vermittelt, was jeder zu tun hat und weniger wie. Agile Führung gerade bei globalen Teams lebt hier von einer konkreten Sinnorientierung, eindeutige Rollen, einem gemeinsamem Werteverständnis sowie klare Regeln. 

Und selbst wenn das gut gelingt, kann ein Event, bei dem alle Mitarbeiter – wenn auch nur einmal im Jahr – zusammenkommen viel mehr für den Zusammenhalt und die Effizienz des Teams beitragen, als noch so viele digitale Meetings. Denn gute Kommunikation braucht auch einen gemeinsamen Erlebnisraum.

Digitale Lehrveranstaltungen oder die jetzt überall aus dem Boden schießenden Webinare sind dann empfehlenswert, wenn sie der reinen Wissensvermittlung dienen und didaktisch gut vorbereitet sind.

Vieles spricht aus unserer Sicht für den persönlichen Kontakt, lautet unser Fazit. Wir sind soziale Wesen und brauchen den persönlichen Austausch von Gesicht zu Gesicht. Das gilt besonders bei Themen, die potenzielles Konfliktpotenzial bieten. 

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