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"Früher war alles besser!" Wirklich? - Wege aus dem Drama-Dreieck

Neues Jahr, neues Glück! Gerade in einer Welt, in der sich vieles in großem Tempo transformiert und auch transformieren muss, ist es wesentlich, in einer guten Balance zu bleiben. Das gelingt, wenn wir die eigene Selbstwirksamkeit stärken, damit wir nicht ungewollt in einer Opferhaltung landen und uns ausgeliefert fühlen.

Doch während die einen viel Freude daran haben, ihre Ziele für 2024 bereits mit ersten Erfolgen eifrig in die Tat umzusetzen, haben andere überhaupt keine Zielvorstellungen oder vielleicht sogar Angst vor der Zukunft. 

Bestärkt werden sie in ihrem Verhalten durch die aktuellen politischen und globalen Entwicklungen und richten ihren Blick statt in die Zukunft lieber in die Vergangenheit ganz nach dem Motto: „Früher war alles besser.“

So legitim ein solches Verhalten ist: Für die aktive Bewältigung aktueller Herausforderungen ist das aus neurobiologischer Sicht keine gute Strategie. Denn wer seinen Blick ständig in die Vergangenheit richtet, wird dort nur bedingt geeignete Strategien zur Bewältigung der Zukunft finden. Er oder sie festigt damit alte Denk- und Verhaltensmuster. Wir laufen dann Gefahr, von der Gegenwart überrollt zu werden. 

Sicher ist, dass sich die Welt um uns herum weiter verändern wird, ob wir wollen oder nicht. Doch wie lässt sich dieses Dilemma lösen? 

Das Drama-Dreieck, bekannt aus der Systemischen Arbeit, ist hier ein hilfreiches Tool. Dieses Modell beschreibt, dass wir uns in unterschiedlichen Situationen unseres Lebens in der Rolle des Täters, Opfers oder Retters erleben oder von anderen Personen diese Zuschreibung bekommen können.

Um im Beispiel zu bleiben: Wenn unser Blick in die Vergangenheit gerichtet ist und wir die Gegenwart und die Zukunft als bedrohlich erleben, befinden wir uns in einer Opferrolle. Es besteht die Gefahr, dass wir alle, die uns aus dieser Haltung herausbringen wollen, als „Täter“ wahrnehmen, auch die, die uns gerne helfen möchten. Deshalb werden auch „Retter“ hier häufig als „Täter“ wahrgenommen.

Das Drama-Dreieck

Das Drama-Dreieck spiegelt sich auch in der aktuellen Weltlage wider. Viele Menschen fühlen sich z.B. von den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine sowie in Nahost verunsichert, ökonomisch verbunden mit Inflation, hohen Miet- und Lebenshaltungskosten sowie ökologisch durch die Klimakrise.

Der Effekt ist, dass sie sich in eine Opferhaltung begeben. Der „Täter“ ist in Form der Bundesregierung rasch ausgemacht. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht diese als „Retter“ aufzutreten, was die Populisten nutzen, um die Unsicherheit über deren Wirkung für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Die Populisten brandmarken die Regierung als „Täter“ und schwingen sich selbst mit Konzepten von vorgestern zum „Retter“ der Probleme von heute und morgen auf.

Das Drama-Dreieck erhält so ständig neuen Zündstoff, weil jeder der Akteure Bedürfnisse hat, die aus der individuellen Perspektive nicht wahrgenommen oder erfüllt werden.


Da wir andere Menschen nicht verändern können, können wir das Drama-Dreieck nur verlassen, wenn wir bereit sind, uns selbst zu verändern. 

Es gibt nur zwei Gründe für Veränderungen

Grundsätzlich gibt es nur zwei Gründe sich zu verändern:

  1. Weg-von-Ziele
    Bezogen auf die Klimakrise sind Beispiele hierfür: „Wir dürfen nicht länger fossile Energie verbrennen“, „Wir wollen keine Ressourcenverschwendung mehr.“
    „Ich will nicht mehr rauchen“, „Ich esse keine Süßigkeiten mehr“, lauten solche Ziele z.B. bezogen auf die persönliche Veränderung. Rein emotional entfalten sie eine eher negative Energie, da wir uns gezwungen sehen, ein liebgewonnenes Verhalten aufzugeben.
  1. Hin-zu-Ziele
    Solche Ziele entfalten eine Zugkraft, weil sie eine „Belohnung“ versprechen, die besser als der jetzige Zustand ist und in uns eine emotionale Begeisterung wecken. Für politische oder gesellschaftliche Veränderungen wie für persönliche gilt: Bei Hin-zu-Zielen entsteht ein klares Ziel vor Augen, das wir gerne erreichen möchten, z.B. eine Umwelt, in der auch unsere Kinder und Enkel gesund aufwachsen können. Oder im persönlichen Bereich einen bestimmten Studien- oder Ausbildungsabschluss zu erreichen, um den Traumberuf ergreifen zu können oder wieder gesund zu werden.

Weg-von -Ziele bestärken das gewohnte Muster

Die Crux ist: Negativ formulierte Ziele wie „wir dürfen unsere Umwelt nicht mehr verschmutzen“ oder „ich will nicht mehr/ nie mehr rauchen“, funktionieren genauso wenig wie Vergleichsziele wie „wir brauchen weniger Kohlekraftwerke“ oder „ich will weniger rauchen“. Unser Gehirn kennt weder Negationen noch unspezifische Vergleiche, sondern reagiert allein auf die mit dem Ziel verbundene Vorstellung. 

Das heißt mit Weg-von-Zielen bieten wir unserem Gehirn ständig Bilder für das Verhalten an, das wir ablegen wollen. So führen negative Ziele trotz der damit verbundenen positiven Absicht in den meisten Fällen sogar zu einer Verstärkung des Weg-von-Verhaltens, zu dem berühmten Jo-Jo-Effekt. 

Unser Gehirn liebt vor allem Gewohnheiten. Bestärkt wird es darin durch sein Belohnungssystem, das keine Gewöhnung kennt, sondern ständig auf neue Belohnungen wartet. Andernfalls bräuchten wir ja nur einmal im Leben etwas für die Umwelt tun, eine Zigarette rauchen oder unser Lieblingsessen verspeisen.

Im Ergebnis  führen Weg-von-Ziele zu frustrierenden Fehlversuchen, die uns rasch wieder in die alten Gewohnheiten zurückfallen lassen und darin bestärken, dass sich nichts ändern lässt.

Selbst wenn unsere Erfahrungen mit unseren Gewohnheiten z.T. sogar schmerzvoll sind oder waren, wie z.B. beim Thema Selbstverletzung, Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum oder Traumata, können wir darin verharren. Denn für unser Gehirn bedeuten die damit verbundenen Verhaltensmuster eine „Belohnung“ – wenn auch nur kurzfristig. Sie bringen „Ruhe“ und „Entspannung“.  Ganz im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führt dieses Verhalten dazu, dass mehr vom Gleichen zu mehr vom Gleichen führt.

Der Blick bleibt in die Vergangenheit gerichtet und die Zukunft erscheint als bedrohlich, weil wir uns ja selbst immer wieder „bewiesen“ haben, dass es für uns keinen Weg dorthin gibt. Mit dieser Angst spielen im politischen Bereich auch die rechten Parteien und Populisten, weil sie Zukunftsängste schüren und vermeintliche Belohnungen versprechen.

Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?

Wenn negative Gedanken und negative Ziele alte Muster bestärken, heißt der Umkehrschluss: Unser Gehirn braucht eine Musterunterbrechung in Form einer positiv formulierten Zielvorstellung. 

Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger brauchen genauso wie Coaching-Klientinnen und -Klienten ein sinnesspezifisch so konkret wie mögliches Zielbild davon, wer er oder sie in der Zukunft sein möchten bzw. wie unsere zukünftige Umwelt aussehen soll. Erst wenn dieses für unser Belohnungssystem tatsächlich attraktiver als der Ist-Zustand ist, gibt es ein klares „JA“ und es öffnet den Weg nach vorne.

Das kann für den Raucher z.B. der Traum von einer Wanderung auf einen bestimmten Berggipfel sein, den er voller Energie und mit freien Lungen erklimmt. Oder es ist vielleicht das knallrote Geländefahrrad, mit dem ich mir vorstelle, morgens über die Felder zur Arbeit zu fahren. Bezogen auf unsere Umwelt könnte es z.B. das Bild davon sein, dass Deutschland 2035 energiepolitisch autark ist und seine Energie über Wind, Sonne und grünen Wasserstoff bezieht.

Alles beginnt in beiden Fällen mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Zum Beispiel mit den Fragen: „Was kann ich selber tun?“ „Wo liegt meine persönliche Verantwortung, damit es mir bzw. der Umwelt besser gehen kann?“ Dazu braucht es zum einen die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen. Zum anderen ein klares Zielbild meiner persönlichen bzw. der gesellschaftlichen Zukunft und ein klares Zugeständnis zum Weg dahin, bei dem ich bereit bin, alle damit verbundenen Konsequenzen in Kauf zu nehmen.

Wie komme ich vom Heute in den Zielzustand?

Ein gutes Coaching ist vergleichbar mit guter Politik: Es zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht bei der Begeisterung stehen bleibt, sondern den oder die Betreffenden darin unterstützt, aus überwiegend eigenen Ressourcen den Zielzustand zu erreichen.

„Ist der Klient zu mehr als 51 % davon überzeugt, über die für sein Ziel notwendigen Fähigkeiten, Talente und Ressourcen zu verfügen, kann er in die Planung gehen. Sind es weniger als 51 %, ist das Ziel vielleicht zu groß definiert und muss in Teilschritte zerlegt werden oder es ist zu klein, entfaltet es nicht die notwendige Energie und muss neu gestaltet werden“, betonen Ekkehart und Brigitte Padberg. 

„Um die notwendigen Teilschritte auszugestalten, nutzen wir im Coaching gerne das Bild einer Brücke, deren Brückenpfeiler wir mit bunten Zetteln im Raum markieren. Die räumliche Erfahrung erleben  die Klienten als sehr hilfreich, da sie ausprobieren können, welche Ressource sie wann und wie einsetzen, um über ihre Brücke zu gehen. Sie erfahren, was vielleicht ihre tragende Kernressource ist und auf welche sie zurückgreifen können, um den letzten entscheidenden Schritt in ihren Zielzustand zu gehen“, erläutern die Coaches.

Dort angekommen, gilt es auch die Konsequenzen zu prüfen, die mit dem Wunschzustand verbunden sind. Und erst, wenn der Coachee bereit ist, mindestens drei negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen, kann er oder sie sicher sein, dass das Ziel Bestand haben wird.

In ihrem jüngst erschienenen Arbeitsbuch „Mental Space Coaching – Mentale Veränderung braucht den Raum“ geben Ekkehart und Brigitte Padberg viele Beispiele für gelungene Veränderungsprozesse.

Fazit

Das Beharren in dem Glauben, früher sei alles besser gewesen, bestärkt Verhaltensmuster aus der Vergangenheit, die im persönlichen wie auch im politischen Bereich nur bedingt für die Lösung aktueller Herausforderungen geeignet sind.

Der Fokus auf den Problemzustand führt im schlimmsten Fall zu einer Verschlimmerung des aktuellen Zustands, persönlich z.B. zu gesundheitlichen und/oder psychischen Problemen. Im gesellschaftspolitischen Bereich zur Verschärfung von Krisen oder ökologischen Problemen.

Wer seine Zukunft aktiv gestalten und seine Ziele erreichen will, braucht die Bereitschaft, dies eigenverantwortlich zu erreichen, verbunden mit einem klaren „Hin-zu-Ziel“ sowie einer Schrittfolge wie er/sie dort hinkommt. Zum Abschluss gilt es, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu prüfen.

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